„Dieses Jahr wird alles etwas anders als sonst!“ – wXw COO & Head Referee Tassilo Jung im großen Wrestling-Infos.de Exklusivinterview! (inklusive Audio & Video) – wXw World Tag Team Festival 2023 Special

09.09.23, von Benjamin "Cruncher" Jung

© wxw

Im Herbst ist Tag Team Zeit! Anlässlich des jährlichen wXw World Tag Team Festivals liefern wir Euch selbstredend wieder eine exklusive Interview-Reihe mit den Protagonisten des bevorstehenden Wochenendes. Doch nicht nur Tag Teams, sondern auch die Frauen der hohen Kunst werden im Zuge von Femme Fatales von uns genauestens ausgefragt.

Nachdem wir gestern die amtierenden Tag Team Champions gehört haben, haben wir heute hohen Besuch in der Interviewecke. Niemand geringeres als der COO von Westside Xtreme Wrestling und Head Referee Tassilo Jung hat sich die Zeit genommen, uns Rede und Antwort zu stehen. Mit Julian spricht er über Neuerungen beim diesjährigen World Tag Team Festival, was er sich von Talenten in der wXw Academy erhofft und einen Wandel in der Welt des Tag Team Wrestlings. Außerdem hat er noch ein paar Tipps für Besucher des diesjährigen Events zur Hand.

Hier findet Ihr alle weiteren Interviews des aktuellen Specials zum wXw World Tag Team Festival 2023:

Text (deutsch)

Julian (Wrestling-Infos.de): Wunderschönen guten Tag meine lieben Wrestling-Infos.de-Freunde und willkommen zu einem weiteren Interview zu dem wXw World Tag Team Festival 2023. Ich habe mir heute den COO und Head Referee der wXw Tassilo Jung geholt. Wunderschönen guten Abend, willkommen und schön, dass das funktioniert hat mit dem Interview.

Tassilo Jung: Ja, danke für die Einladung.

W-I.de: Ja, das Tag Team Festival steht ja an, 22. bis 24. September ist es und die Planungen, wir haben ja ein bisschen geschrieben bzw. Du mit David, die gehen ja schon Richtung Endphase. Wie zufrieden bist du mit dem Teilnehmerfeld eigentlich dieses Jahr?

Tassilo: Da ist die erste Frage, wann erscheint denn dieses Interview, weil unser Teilnehmerfeld ist ja noch nicht so ganz komplett angesagt worden.

W-I.de: Dann lass uns am besten über Stand jetzt sprechen, weil ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wann das released wird.

Tassilo: Wenn sich da was entwickeln würde, dann würde sich das ja bestimmt in unserem Shotgun Backstage-Vlog im Laufe der Woche entwickeln. Der kommt am Freitag. Ich bin happy mit dem Teilnehmerfeld. Wir machen ja was sehr anderes als sonst. Ich glaube generell hat wXw gerade selber eine sehr, sehr starke Tag Team Division, was in vergangenen Tag-Festivals nicht immer der Fall war, gerade in früheren Jahren. Wir sind auch derzeit nicht wahnsinnig vom Verletzungspech gebeutelt. Ich klopfe hier dreimal auf Fake-Holz, weil das sich in drei Wochen ja auch sehr ändern könnte. Und damit steht und fällt so ein Festival ja auch ganz, ganz stark. Und ich glaube, wir machen ja ein bisschen was anderes als sonst, indem wir ganz, ganz viele der Gäste, die dazu kommen, eben über die GCW Zusatzshow dabei holen. Das heißt, ganz, ganz viele der besonderen Leute, die man weniger häufig in Europa sieht, sieht man auch gar nicht im Rahmen von den wXw World Tag Team Festival Shows, sondern sieht man eben bei den Nachtshows von GCW. Ich glaube, damit werden wir auch eine ganz, ganz andere Dynamik in den Wochenenden drin haben. Aber irgendwie gehören die ja auch alle zum Festival Teilnehmerfeld. Von daher glaube ich, dass es ein sehr, sehr einzigartiges Programm ist, was wir dieses Jahr haben.

W-I.de: Ich bin auch sehr gespannt drauf. Du hast angesprochen, ihr macht dieses Jahr ein bisschen was anders. Es kommen ein paar von der GCW und ein paar Externe mehr dazu. Was auch eine Neuerung ist, soweit ich das nachverfolgen konnte, ist, dass mit Aaron Rourke und B3cca ein Mixed Tag Team im Turnier steht. Ist das vielleicht eine Sache, die in den nächsten Jahren vielleicht öfter noch passieren könnte?

Tassilo: Könnte auf jeden Fall. Früher hat wXw sehr strikt getrennt zwischen den Geschlechtern. Es gab eben Mann gegen Mann, Frau gegen Frau. Mit der Zeit haben wir das, beginnend bei den Shotgun-Tapings in der Pandemie, aufgeweicht und haben dann die ersten Sachen gemacht und haben schnell gemerkt, dass ist eigentlich der richtige Weg heutzutage, ein paar Probleme zu lösen. Wir stellen Wrestling ja immer sehr, sehr sportiv da im Rahmen der Veranstaltung. Im Endeffekt ist uns auch allen klar, dass Wrestling ein Live-Actionfilm / Live-Comic ist. Und wir haben ja auch nichts dagegen, dass Wonder-Woman durch 25 Bösewichte durchfliegt. Und keiner steht da und sagt hier: Liebe Marvel-Writer, das ist okay, wenn der Hulk das macht, aber wenn Wonder-Woman das macht, dann geht das nicht klar. Da müssen wir schon mit arbeiten könnennd und ich finde, in der heutigen Zeit ist die Reaktion dafür auch entsprechend. Wir hatten ja auch Westlerinnen bereits im 16 Carat Gold drin mit LuFisto, die beispielsweise dort gestartet ist. Wir hatten ein Mixed Tag Team als Tag Team Champions und es ist sicherlich kein Geheimnis, dass Fast Time Moodo und Stephanie Maze bestimmt Kandidaten und eine Kandidatin für das letztjährige Jahr World Tag Team Festival gewesen wären, wenn Stephanie sich nicht viel früher schlimm verletzt hätte. Das heißt, es geht sehr in die Richtung, ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich so beschleunigt, dass es irgendwann ein acht und acht Feld oder ein reines Mottoturnier ist, dass jedes Team so sein muss. Aber das gibt es eben auch in unserem wXw-Erzähl-Universum. Von daher kann ich mir gut vorstellen, dass sich das wiederholen wird, ja.

W-I.de: Das freut mich auf jeden Fall zu hören, dass es diese Freiheit mehr gibt. Das ist eine sehr schöne Entwicklung, denke ich.

Tassilo: Es gibt denjenigen, der das überhaupt nicht mag. Es gibt denjenigen, der es sehr möchte und es gibt ja auch kein Middle Ground. Du kannst einen happy machen ohne den anderen. Ich finde es auch immer ganz okay zu sagen, es gab jahrelang das eine, jetzt gibt es mal jahrelang das andere. Für mich ein ganz entscheidender Grund ist, und das bezieht sich jetzt nicht nur zwingend auf B3cca und Aaron Rourke, sondern es bezieht sich auf die Situation mit den Wrestlerinnen hier. Es gibt nicht wahnsinnig viele gute Wrestlerinnen im deutschsprachigen Raum. Es gibt sogar ganz erschreckend wenige davon. Damit die gut werden können, sich weiterentwickeln können, brauchen die gute Gegner oder gute Gegnerinnen. Und wenn es nicht viele gute Gegnerinnen gibt, dann hilft es nur begrenzt viel, dasselbe Match mit derselben Person 15 mal zu machen, sondern dann ist Intergender eben auch eine Lösung, eine ganz, ganz wertvolle Praxis an junge Wrestlerinnen zu geben, die sie auch weiterentwickeln können darüber. Auch das ist für mich ein stark starkes Argument dafür.

W-I.de: Das ist definitiv ein guter Punkt, dass es auch zur Weiterentwicklung der jüngeren Generation auf jeden Fall beitragen kann. Ich glaube, das ist ein Punkt, der heutzutage, was das Intergender Wrestling angeht, auch sehr vernachlässigt wird, zumindest auf der Seite der Fans.

Tassilo: Ja, also im Trainingsbetrieb ist ja klar, das läuft sowieso weitestgehend gemischt. Und in den Veranstaltungen wird es halt ganz oft getrennt. Ich kann verstehen, wenn ein Veranstalter oder ein Schreiber das machen will. Und man kann es auch dann machen, wenn man hinreichend viele gute Wrestlerinnen im Kader oder im erweiterten Kader hat. Aber wenn das nicht der Fall ist und wenn da speziell in der Spitzenklasse eine ganze Menge fehlt, dann ist das eine gute Lösung, eben auch die wertvolle Ringpraxis an gute weitere Wrestlerinnen geben zu können.

W-I.de: Denke ich auch. Das ist ein sehr guter Punkt, den du da aufbringst. Du hast gerade angesprochen, die Women’s Division in Deutschland oder im deutschsprachigen Raum ist leider nicht besonders – also schon gut besetzt, aber ist auf jeden Fall ausbaufähig. Im Rahmen des World Tag Team Festivals veranstaltet ihr auch immer ein paar andere Events noch nebenbei, darunter auch Femmes Fatales, was ja ein Women’s Event ist. Das ist wahrscheinlich auch für euch so ein bisschen noch mal die Chance, neue Talente kennenzulernen und zu entdecken und die dann auch auszuprobieren und kennenzulernen, denke ich, richtig?

Tassilo: Würde ich nicht mal so weit gehen. Wenn du unser Teilnehmerfeld auf dem Femmes Fatales siehst, das ist ja unglaublich undeutsch. Was ja auch einer der genannten Punkte an wXw ist. Für uns ist das ganz, ganz klar. Wir machen keine Quoten-Promotion. Es gibt nicht zwingend fünf Startplätze für deutsche Wrestlerinnen, damit man deutsche Wrestlerinnen drauf hat. Die dürfen und müssen dieselbe Leistung bringen wie die internationalen Leute. Wenn man nicht auf dem selben Niveau ist, dann gehört man auch nicht in die Veranstaltung rein. Das beinhaltet natürlich auch, die Leistung im Ring zu bringen. Das beinhaltet aber auch, sich genauso wie andere Wrestlerinnen reinzuhängen und ins Training zu kommen, sich weiterbilden zu wollen und da zu sein. Wir haben irgendwann mal nach unseren Pandemie-Tapings ein Angebot gemacht an eine ganze Reihe deutscher Wrestlerinnen mit: „Hey, kommt gerne einmal im Monat vorbei in die Academy. Wir wissen, das ist eine Fahrt, dafür ist es auch gratis für euch. Wir trainieren am Wochenende mit euch, euch zu helfen, den Leistungsunterschied zur internationalen Klasse hinzukriegen.“ – Und ich glaube, dieses Training hat maximal einmal stattgefunden und dann nicht mal vollzählig. Dann muss ich halt auch sagen, den Vorwurf, es gibt wenige deutsche Wrestlerinnen bei uns, der uns manchmal gemacht wird, den muss ich genauso zurückgeben mit: es gibt auch richtig wenig deutsche Wrestlerinnen, die sich aufdrängen, oder deutschsprachige Wrestlerinnen, die sich aufdrängen. Dass sie den Weg gehen, den Baby Allison gegangen ist und den jetzt Michael Green geht, die einfach auch die Präsenz zeigen und da sind und an sich arbeiten wollen. Das zeigen mir die meisten nicht, weil es für mich viel zu viele Wrestlerinnen in Deutschland gibt, die happy damit sind, irgendwo zu wresteln und sich Wrestler nennen zu können und auf Shows zu sein, die aber offensichtlich die Ambition haben, in die Spitzenklasse reinzugehen. Und das ist absolut in Ordnung, weil es eine persönliche Entscheidung ist. Ich muss nicht Bundesliga-Fußball spielen. Ich kann genauso gut Kreisliga spielen und kann damit ein super Wochenende haben und kann ganz, ganz viele andere Prioritäten in meinem Leben anders setzen, als ich die als Bundesliga-Spieler setzen müsste. Aber da muss ich auch ehrlich sein und sagen: „Jo, wahrscheinlich gehöre ich nicht gegen Harry Kane aufs Feld, sondern eher gegen den Jungen aus der Nachbarschaft.“

W-I.de: Ja, dieses ehrlich reflektierte, das fehlt dann bzw. das ist auch relevant auf jeden Fall. Es geht ja beim Tag Team Festival, namensgebend, um Tag Team Wrestling. Ich habe häufig das Gefühl, dass international die Fans Tag Team Wrestling oft auf einem Level unter dem Singles Wrestling ansehen. Weißt du, wie ich das meine? Also, beispielsweise der große Topstar ist immer der eine, der alleine antritt. Der Topstar ist aber nie einer von zweien aus einem Tag Team oder Stable. Findest Du, dass so ein Turnier da vielleicht dagegen ansteuert und vielleicht auch ein Tag Team als nicht nur den großen Star, sondern die zwei großen Stars etabliert für eine Promotion?

Tassilo: Ich finde, das kann es tun. Es ist natürlich rein wirtschaftlich, als Wrestling-Veranstalter… ich habe doch viel größeres Interesse daran, einen Topstar zu haben als ein Tag Team als Topstar zu haben. Denn so oder so ist es ein Act, ist es ein Single Wrestler oder ein Tag Team, aber das andere ist doppelt so teuer. Das heißt, ich verstehe rein wirtschaftlich, warum der Singles Wrestler mein Star sein sollte. Aber das ist eher so eine zyklische Sache in der Wrestling-Zeit. Wenn du auf die 80er zurückgehst, da waren Tag Teams doch die Top Stars. Mir kann keiner sagen, zur Zeit vom Midnight Express und Rock’n’Roll Express, dass die keine Hallen voll gemacht haben. Dann gerade in den 2000er habe ich das Gefühl gehabt, dass Tag Team Wrestling throwaway war. Ganz, ganz oft war der Titelkampf irgendwo in der Preshow, im Warm-Up, wie auch immer das da gerade klassifiziert oder genannt wurde. Und oft war Tag Team dann eben das Auffangbecken. Aber spätestens mit der Welle, die über NXT reingegangen ist, mit der großen Revival-Zeit beispielsweise, wurde Tag Team Wrestling auch wieder ein bisschen nach vorne gepusht. Und heutzutage beispielsweise die Young Bucks nicht als mit die größten Stars in der Branche zu sehen, wäre ja auch verfehlt. Ich glaube, das ist ein bisschen zyklisch. Ja, so ein Tag Team Turnier kann ein Entwurf dagegen sein, aber auch nur dann, wenn es tatsächlich um das Tag Team Turnier geht und wenn das der Hauptkampf ist. Wenn das nicht der Namensgeber ist, sondern der hauptsächliche Inhalt. Und wenn dann eben auch die Qualität stimmt. Ich finde, ganz oft hat man das Gefühl, das Tag Team Match auf der Card ist dann „Ach, da ist noch was für jüngere Wrestler übrig, die packe ich dann mal in ein Tag Team Match rein, da kann man ja weniger Fehler machen als im Singles Match“. Finde ich schon eine katastrophal falsche Herangehensweise, weil die Fehleranzahl noch viel höher sein wird. Aber dafür muss man Leute eben auch dazu bringen, entsprechend in der Qualität Tag Team Wrestling machen zu können. Dafür müssen die Teams entsprechend geschult, eingespielt und ausgebildet sein. Das ist etwas, woran es hier ein paar Jahre lang gescheitert hat, während inzwischen richtig vernünftige Tag Teams aus Kontinentaleuropa am Start sind.

W-I.de: Du hast es angesprochen in den 80ern und 90ern, da war ja auch eine ganz andere Tag Team Dynamik, also des Tag Team Wrestlings überhaupt, als heutzutage. Heutzutage ist ja wirklich sehr viel Spot-Wrestling, sehr schnell, sehr viel Tempo. Und da wird ja wirklich nicht unbedingt darauf geachtet, dass immer nur eine Person aus den jeweiligen Teams im Ring ist, sondern da geht es dann auch mal ein bisschen mehr zur Sache, sag ich mal.

Tassilo: Wir achten vergleichsweise viel darauf. Wir haben sogar Wechselseile und schicken Leute raus nach nicht legalen Tags und solche Sachen. Sachen, die man bei ganz, ganz vielen Ligen nicht sieht und mit denen sicherlich auch der eine oder andere Wrestler, der zum ersten Mal bei uns ist, ganz ordentlich Schwierigkeiten hat. Aber ich finde, klar persönlich, Qualität wäre besser, wenn man etwas man mehr auf die Regeln achtet, weil man auch im Rahmen dieser Regeln ganz tolle Sachen machen kann. FTR bzw. The Revival habe ich als Beispiel eben mal reingeworfen. Das sind natürlich Traumbeispiele dafür, wie man so was macht. Aber andersherum, ich bin mir sicher, die Young Bucks achten nicht so wahnsinnig stark darauf in ganz, ganz vielen Matches und sind trotzdem ein ganz hervorragendes Tag Team. Es ist immer dann schwierig, wenn du im Produkt irgendwie beides hast und damit der krasse Widerspruch da ist, wenn es also auch keine abgeschlossene Produktlogik mehr gibt. Dem muss man sich eben stellen. Dass Wrestling generell athletischer, schneller und so weiter geworden ist, klare Sache, dass es auch etwas choreografierter teilweise abläuft, eher Abläufe kommen als organischer Austausch von Aktionen. Auch das ist eine klare Sache. Das ist für mich eher so was wie „mit der Zeit gehen“. Auch wenn ich das eine besser finde als das andere, möchte ich noch nicht so alt sein, dass ich mich hinsetze und sage „Boah, das ist aber scheiße, was die jungen Leute alle machen“.

W-I.de: Der Markt ist definitiv da für beide Seiten. Hat ja auch beides seine Daseinsberechtigung, auf jeden Fall. Kommen wir vielleicht auf die amtierenden Tag Team Champions zu sprechen, denn die sind ja auch Teil des Turniers, die Only Friends…

Tassilo: Sind sie?

W-I.de: Sind sie nicht?

Tassilo: Kommt drauf an, wann das Interview kommt. Angekündigt sind sie noch nicht. Es würde natürlich auf der Hand liegen, dass die Champions irgendwie drin sind.

W-I.de: Gut. Ja, okay. Ich glaube, ein paar Shows stehen da noch aus bis dahin. Deswegen, da kann sich ja noch viel tun, klar. Aber Stand jetzt sind sie wahrscheinlich Teil des Turniers. Sie sind jetzt seit zwei Monaten ungefähr Tag Team Champions, wenn ich es richtig gesehen habe. Wie zufrieden bist du mit ihrem aktuellen Run bzw. was erhoffst du dir noch davon?

Tassilo: Ich glaube, die Only Friends sind das untypischste wXw-Team, weil das eben das Team ist, was relativ stark über Dynamik kommt und nicht zwingend über die genauen Tag Team Regeln, wofür wir natürlich auch ein paar starke Gegenentwürfe haben. Das heißt, im Endeffekt ist das so der gewollte Fremdkörper im wXw-Teamkader. Ist aber natürlich ein Act, der gerade bei unseren Zuschauern enorm gut ankommt, weil er eben auch mit so typischen Männlichkeitsbildern spielt, wie die beiden sich präsentieren. Und wenn du gehört hast, was für eine wahnsinnige Reaktion da war bei Carat, als Michi [Michael Knight] zurückkam und die Tag Team Reunion angestrebt hat, um Bobby [Bobby Gunns] da aus der Bredouille im Carat-Main-Event zu retten, ist ja klar, dass das ein absoluter Top-Babyface-Act ist. Dass so ein Team dann eben auch mal an der Spitzenposition sein kann. Persönlich finde ich Tag Team Wrestling schöner, wenn es etwas stringenter und etwas regelorientierter ist. Logischerweise sind das zwei, denen ich ab und zu in den Ohren liege und sage: Jungs, wir können über die 5 Sekunden Regel reden, wir können über bis fünf zählen reden, aber einmal pro Minute kann ich auch nicht zählen. Ein bisschen mehr muss es halt schon sein. Aber andersherum ist Tag Team Wrestling eben so auch sehr modern, wenn das andere Team auch so agiert, wie es beispielsweise mit den VeloCities der Fall war, bei Shortcut [to the top] in Oberhausen, dann entsteht ja auch ein sehr, sehr dynamisches, ein sehr starkes Match daraus. Aber ich finde gerade die unterschiedliche Herangehensweise zum Tag Team Wrestling macht halt Duelle wie Only Friends vs. Amboss oder Only Friends vs. Rott und Flott gerade interessant, weil da eben auch nicht nur zwei Herangehensweisen, sondern auch zwei Tag Team Wrestling Philosophien aufeinanderprallen.

W-I.de: Ja, definitiv zwei sehr unterschiedliche Stile, die dann zusammenkommen. Da hast du auf jeden Fall recht, genau. Du hast es gerade schon so grob angesprochen, die neue Tag Team Generation, möchte ich es mal nennen, mit Revival und so weiter, die aus NXT kommen. Es geht ja auch in die andere Richtung, dass Leute zu NXT gehen. Beispielsweise gibt es ja immer noch das Gerücht, dass NXT Europe bald an den Start gehen soll. Das ist vielleicht eine eher allgemeinere Frage, weniger zum Tag Team Festival und mehr zu wXw generell. Habt ihr da so ein bisschen, ich möchte jetzt nicht sagen Angst, aber habt ihr das im Auge, dass da möglicherweise Talente rüber wechseln werden und wollen oder möchten?

Tassilo: Ich glaube, das musst du im Auge haben. Aber zu NXT Europe weiß ich genau dasselbe, was du auch weißt. Es gibt Pläne, ob die irgendwann umgesetzt werden, ist völlig offen. WWE ist als Unternehmen verkauft worden. Auch das wird ich Strategie ändern. Ich bin mir sicher, in dem Moment, wo der Merger passiert zwischen WWE und UFC, wird eine ganze Menge an Redundanzen abgebaut. Und dann ist mein persönliches Gefühl, da wird man eher auf die großen Cashcows schauen von UFC und sehen, wie kann das für WWE adaptiert werden? Das wird sicherlich auch das WWE Ticketpreismodell weniger interessant machen. Es wird mehr in die Richtung gehen, große Happening-Pay-Per-Views an Städte und Regionen zu verkaufen. Sicherlich ein spannendes Ding. Gibt es irgendwann so was, was im Mainland Europe, nachdem gestern Wembley so ein Erfolg war? Ob dann wirklich NXT Europe am Ende das Projekt ist, das umgesetzt werden wird, nachdem NXT UK ja nicht so das wahnsinnige Prestigeprojekt war – wenn wir mal ganz ehrlich sind – sondern gute Wrestler reingebracht hat, sicherlich einen guten TV Deal gebracht hat, sicherlich Marktpräsenz gebracht hat. Aber da es zumindest kurzfristig kein „Wow, das ist Big Level Production“-WWE-Vorzeigeprojekt war, ist die Frage, ob das wirklich die Richtung ist, in den der neue Konzern mit Endeavor dann gehen wird. Aber ja, kann passieren, dass Leute rübergehen. Kann auch so sein, dass Leute gesignt werden. Kann sein, dass AEW nach dem London-Event jetzt sagt „Jetzt wollen wir mehr in Europa machen“ und dafür mehr Talente unter Vertrag nimmt. Aber am Ende ist das ja nichts, was man mit dem, was wir machen, beeinflussen können, sondern unsere Strategie ist immer: Schau, was der Markt gerade ist, pass sich darauf an. Wir wissen, wir sind gut darin, Wrestler weiterzubringen, Wrestler zu entwickeln, um in ihrer Karriere voranzukommen. Wenn ich sehe, wie viele unserer ehemaligen Rester kurzfristig oder langfristig ihren Weg zu WWE, AEW, New Japan, wherever geschafft haben, dann haben wir da einen ganz guten Track Record. Und ich hoffe, dass wir diesen Track Record ausbauen können. Das heißt, wenn jemand hier bei uns ist und sagt, „Hey Leute, ich kann nicht mehr für ’n Appel und ’n Ei für euch antreten, sondern ich muss jetzt leider da rübergehen und einen Vertrag für ein paar hunderttausend Dollar unterschreiben.“ Jo, cool, bitte! Dafür sind wir hier, das wollen wir ja. Jeder, der rüber geht, so sehr ich den gerne in meinem Locker Room hätte, so sehr freue ich mich auch, dass es für denjenigen weitergeht. Und klar wäre das cool, wenn wir jeden Tag noch Claudio [Claudio Castagnoli, aka Cesaro] gegen Walter [aka Gunther] auf der Card hätten. Aber andersherum ist es auch ganz cool, dass die beiden das Leben haben, was sie haben können.

W-I.de: Absolut, auf jeden Fall. Ja klar, Leute und Talente, die gehen, gibt es immer wieder. Aber es gibt auch immer Leute und Talente, die dazukommen. Die bildet ihr auch selber aus stellenweise, in eurer Academy. Beispielsweise Elijah Blum ist ja ein immer beliebteres Mitglied in den Shows. Hast du vielleicht eine Prognose, wo es mit ihm hingeht und wer vielleicht von den aktuellen Leuten aus der Academy jemand sein könnte, auf den man Auge haben sollte?

Tassilo: Elijah Blum ist natürlich ein Stand-Out, ist wahnsinnig talentiert, hat bisher das Glück gehabt komplett verletzungsfrei zu sein. Das macht halt auch bei ganz vielen den Unterschied am Ende. Talent und Verletzungsfreiheit sind die eine Sache, Einstellung ist die andere. Ich habe Leute mit wahnsinnigen Anlagen gesehen, die nichts draus gemacht haben. Und ich habe jemanden, der sich nicht bewegen konnte, gesehen, der eine „Karsten Beck“-Karriere hingelegt hat. Am Ende ist „Will ich das und setze mich gegen alle Wiedrigkeiten durch und haue ich mich dahinter“ wichtiger als alles, was ich mitbringe. Bei Elijah mache ich mir relativ wenig Sorgen, dass der morgen auf mich zukommen wird und sagen wird „Ach, ich habe mich jetzt so sehr verliebt. Ich züchte jetzt mit meiner Freundin Schafe in Friesland, mit Wrestling war es das dann“. Das sehe ich nicht kommen. Von daher, der hat die richtige Einstellung, der kann es ganz weit bringen. Ein Nick Schreier hat sicherlich eine Zukunft, wenn er Glück hat, verletzungsfrei bleibt, wenn es sich dahinter packt. Alex Duke hat eine Zukunft, der nebenbei auch noch im Kopf größer ist als die anderen beiden, das hilft ja auch ein bisschen in der Wahrnehmung. Aber das sind Leute, die aktuell spannend sind. Und grundsätzlich – ja, klar haben wir eine Menge Leute in der Academy, die noch niemand auf dem Schirm hat, aber bei denen ist es halt auch so ein bisschen Glückssache. Wie geht es weiter? Wie sehr bleiben die dabei? Verletzen sie sich irgendwann schwerer? Wir haben jetzt zum Beispiel bei Anil Marik gesehen, wie sehr eine absolute Kleinigkeit einen für ein Jahr rauswerfen kann, das setzt einen natürlich auch zurück.

W-I.de: Ja klar, absolut. Also es ist so ein bisschen auch Glückssache, ob es so weit läuft, wie man es sich erwartet.

Tassilo: Bleib verletzungsfrei. Klar, du kannst trainieren, du kannst dich entsprechend ernähren, du kannst schauen, was du machst, du kannst nichts blödes tun. Aber die meisten Verletzungen passieren bei was absolut Dummen. Ein Schritt, wo du in der Matte hängen bleibst. Da kannst du halt recht wenig gegen machen.

W-I.de: Und dann verhebst du dich beim Müll tragen und dann ist die Karriere hinüber. Kann immer passieren, klar. Ja, beim Shortcut habt ihr zum Beispiel auch das erste Mal einen Live Pay-Per-View veranstaltet, also ein Liveevent- im Internet ausgestrahlt. Das gab es ja bisher, soweit ich das mitbekommen habe, nur leicht zeitverzögert einmal vorher. Seid ihr mit dem Event zufrieden und könnt euch vorstellen, sowas noch mal zu veranstalten?

Tassilo: Wir sind total zufrieden mit dem Event. Bei uns ging es vor allem mal darum, diesen Workflow abzubilden und zu schauen, können wir das real, um eben auch für eine Zukunft, in der wir beispielsweise nicht mehr in der Rechte-Konstellation wären wie heute, sagen zu können: „Hey, hier ist mal ein Link zum YouTube-Video. So würde das bei uns aussehen, wenn wir das live filmen und live produzieren“, um auch eben die Unterschiede herauszustellen zwischen – das ist die Live-Fassung, das ist die Post-Production-Fassung. Wo sind da die Unterschiede drin? Und die sind inzwischen sehr, sehr marginal. Das ist eine schöne Sache, weil das heißt, dass Marc mit seinem Team da eine fantastische Arbeit gemacht hat. Genauso kann ich mir nicht vorstellen, es genau jetzt zu wiederholen, denn wir haben ja noch einen bestehenden Bildrechte-Vertrag, in dem eben nicht vorgesehen ist, neben dem, was wir dort kriegen, strahlt mal live wherever aus und monetarisiert es darüber. Das heißt, es ging auch darum zu schauen, wo stehen wir gerade technisch? Genau wie es damals sicherlich auch bei der Zusammenarbeit mit Bild+ darum ging zu sehen, wo standen wir damals technisch? Und wer die Unterschiede zwischen „Anniversary“ letztes Jahr und „Shortcut“ dieses Jahr gesehen hat, wird sehen, dass da ein Riesen-Unterschied in der Produktionsqualität ist. Gerade, wenn es darum geht, dass eben Sachen, die nicht eingefangen werden sollen, auch wirklich nicht eingefangen werden. Wo ich zum Beispiel auch sagen muss, unser reiner Live-Edit, der ist wahrscheinlich besser als der von so manchem großen TV-Wrestling-Produkt, wo permanent was im Bild zu sehen ist, was die Leute lieber rausgeschnitten hätten, während das bei unserer kleinen Klitsche hier eben nicht passiert. Und was auch was darüber sagt, wie gut die Leute sind, die hier sitzen.

W-I.de: Ja, mit so einem TV-Bild und dem Live-Schnitt kann viel stehen und fallen, auf jeden Fall. Das macht es natürlich auch für internationales Publikum ein bisschen einfacher bei euch einzusteigen. Da bin ich sehr gespannt drauf. Abschließend, hast du vielleicht noch ein paar Tipps und Hinweise für die Fans, die vor Ort sind, beim Tag Team Festival?

Tassilo: Ich würde mir frühzeitig Gedanken darüber machen, wie ich meinen Schlaf plane, wenn ich alles machen will. Unsere Herangehensweise, wenn du teilweise drei Uhr morgens aus der Halle kommst nach GCW und dann ist man da wahrscheinlich noch gehypt und geht nicht sofort schlafen, sondern je nachdem wie man tickt hat man vielleicht noch ein Hüngerchen, nimmt halt noch den Döner vor der Halle oder vielleicht möchte man noch mit jemandem zusammensitzen, noch zwei Bierchen trinken oder so. Dann ist halt ganz, ganz leicht fünf, bis man auch wirklich einschlafen kann. Und dann zu schauen, wie kann ich denn wieder um zwölf in der Halle sein und auch in einer Art und Weise, in der ich aufnahmefähig bin für den ganzen Tag. Ich finde, dass ist ein, zwei Gedanken im Vorfeld wert. Mit 20 zieht man es dann einfach so durch. Aber in meinem Alter wird es langsam schwieriger und da sollte man sich auch drauf vorbereiten. Ansonsten, habt Spaß, habt eine gute Zeit! Ich glaube, unsere Festivals sind generell relativ easy going. Das Tag Festival ist ja auch eine Runde kleiner als Carat, das heißt, man kommt auch an alle Leute ran, um da ganz positive Erlebnisse zu machen. Nichts, was man speziell vorbereiten muss, außer eben sowas wie „Wie schlafe ich denn eigentlich die Zeit?“. Wenn ihr übernachten wollt und noch keine Hotels habt: ich habe gehört, dass die Hotels in Oberhausen für das Wochenende langsam rar und teuer werden. Das macht sicherlich Sinn, sich darum zu kümmern.

W-I.de: Das sollte sowieso langsam angegangen werden, falls man da vor hat zu übernachten, auf jeden Fall! World Tag Team Festival – 22. bis 24. September steht es an und wir von Wrestling-Infos sind natürlich auch wieder am Start. Tassilo, vielen Dank für das Interview. Hat mir auf jeden Fall Spaß gemacht. Vielen Dank für deine Zeit. Und dann würde ich sagen, hören wir uns im nächsten Interview wieder. Bis dann.

Tassilo: Alles klar. Ciao. Bis dann.

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